Am Knotenpunkt des Baltikums
Kreative Projekte vor historischen Mauern: Die estnische Hauptstadt Tallinn setzt reizvolle Kontraste. Doch auch ausserhalb der Zentren hat das grüne Land einiges zu bieten.
Kreative Projekte vor historischen Mauern: Die estnische Hauptstadt Tallinn setzt reizvolle Kontraste. Doch auch ausserhalb der Zentren hat das grüne Land einiges zu bieten.
Hier das Unesco-Weltkulturerbe, dort das hippe Quartier: Wer nach dem Direktflug von der Schweiz aus in Tallinn aussteigt, findet in Estlands Hauptstadt einen Ort voller Gegensätze. Vom Domberg aus haben BesucherInnen eine wunderbare Aussicht auf diese urbane Vielfalt. Unten punktet etwa die mittelalterliche Altstadt mit engen Gassen und einer hervorragend erhaltenen Stadtmauer. Unweit des Rathausplatzes steht dann die St. Olavs Kirche – als sie 1404 erbaut wurde, war sie eines der höchsten Gebäude der Welt. Vom Wohlstand aus der florierenden Hansezeit zeugen ausserdem die prächtigen Kirchen und Kaufmannshäuser. Wer dagegen auf der Suche nach Künstlerateliers und bunten Häusern ist, kommt im Stadtteil Kalamaja auf seine Kosten. Im Hafenviertel Noblessner werden derweil auf eindrucksvolle Weise die historischen Industriegebäude der ehemaligen U-Boot-Werft mit modernem Städtebau verbunden.
Estland eignet sich aber auch perfekt für Naturliebhaber. Das Land bietet schliesslich über 2000 Inseln, 3794 Kilometer Küste sowie sechs grosse Nationalparks und ist fast zur Hälfte mit Wald bedeckt. Gerade auf den Ostseeinseln ticken die Uhren dabei noch etwas langsamer als auf dem Festland: Wer Entspannung sucht, ist hier also genau richtig. Die Inselwelt eignet sich aber auch hervorragend zum Wandern oder Radfahren. Hier führen die Routen an Küstenstrassen entlang, durch Kiefernwälder und an alten Windmühlen und Leuchttürmen vorbei. Nie fehlen sollte bei Estland-Ferien der Besuch eines Moores: Das Viru-Hochmoor beispielsweise verfügt über einen der am besten zugänglichen Moorpfade im Land. Auf einem Spaziergang auf dem Bohlenweg Richtung Aussichtsturm lernt man die Pflanzen- und Tierwelt dieser einmaligen Landschaft besser kennen.
Wer gerne isst, findet in Estland kleine, alteingesessene Lokale genauso wie Gourmet-Restaurants. Auf den ersten Blick wirkt die estnische Küche deftig und einfach, doch sie ist eng mit der Natur und deren Jahresverlauf verbunden und bringt so eine abwechslungsreiche Vielfalt hervor. Mittlerweile hat auch der Guide Michelin die estnische Küche entdeckt: Als erstes baltisches Land hat Estland den Sprung in den renommierten Restaurantführer geschafft. Insgesamt 31 Restaurants werden nach der ersten Runde im Gastro-Führer 2022 erwähnt. Zwei dieser Betriebe haben dabei sogar einen der prestigeträchtigen Michelin-Sterne erhalten. Dazu gehört zum einen die Noa Chef’s Hall in der Tallinner Bucht und zum anderen das Talliner Restaurant 180° von Matthias Diether.
Estland ist das Land der Festivals, das ganze Spektrum der Musikgenres wird abgebildet. Dabei gibt es für alle etwas: Pop, Rock, klassische und alternative Musik wird an grossen oder kleinen, städtischen oder ländlichen Festivals gespielt. Auch die regionale Volksmusik, die im 19. Jahrhundert zusammen mit der estnischen nationalen Identität entstand, ist sehr lebendig. Und Seto Leelo, der traditionelle Gesang der Setukesen im Süden Estlands, ist Teil des immateriellen Kulturerbes der Unesco, ebenso wie der Lebensstil der Kihnu-Insulaner: Rund 600 Personen leben auf der Insel vor der Westküste Estlands und halten ihre traditionellen Wurzeln bis heute lebendig. Zahlreiche Museen zeigen die traditionelle und die moderne Kunst Estlands. Und nicht zuletzt ist Tartu europäische Kulturhauptstadt 2024. Für den Besuch der zweitgrössten Stadt Estlands sollten mindestens zwei Tage eingeplant werden, damit Zeit bleibt, um die verschiedenen Stadtteile mit ihrem je ganz eigenen Charme zu entdecken.