Auf einem weissen Schneeteppich
Im Winter ist der Simplonpass eine in Watte gepackte Bergidylle. Angesagt sind Winterwandern und Schneeschuhlaufen.
Im Winter ist der Simplonpass eine in Watte gepackte Bergidylle. Angesagt sind Winterwandern und Schneeschuhlaufen.
Es ist, als hätte die Natur in der Region Brig-Simplon einen weiten, weissen, weichen Schneeteppich über die hügelige Simplon-Passlandschaft gelegt. Lichte Nebelschwaden, die noch in einigen Senken und Rinnen hängen, lösen sich auf. Die schütteren Bäumchen, die im rauen alpinen Klima Wind und Wetter zu trotzen vermögen, sind zauberhaft überzuckert. Nun reflektieren die Schnee- und Eiskriställchen des Raureifs die ersten Sonnenstrahlen, die über die noch bedrohlich-dunklen Bergzacken am Horizont blinzeln. Es ist, als vermöge allein schon dieses liebliche Sonnenlicht die Morgenkälte wohlig zu erwärmen. Doch wenn sie einmal da ist, die Sonne, strahlt sie auch im Winter bis in den Nachmittag hinein über die Hochebene des Simplons – bis sie sich hinter den Ausläufern des Galehorns wieder verabschiedet.
Das sind Eindrücke und Gefühle, die haben kann, wer hier oben, auf fast 2000 m ü. M., in den Tag hinein «winterwandert»: Auf dem Schneeschuhtrail oder auf dem Winterwanderweg. Denn nichts scheint die Bergidylle zu stören – erstaunlicherweise nicht einmal der Verkehrslärm der nahen Passstrasse. Auch er scheint zur Winterzeit in Watte gepackt zu sein. Die einzigen Geräusche, die man auf dem Schneeschuhtrail nicht überhören kann, ist der eigene Atem. Und natürlich das dumpfe Knistern und Knarren der Schneeschuhe, die man bei jedem Schritt in den Schnee presst. Oder das Schabgeräusch der Harscheisen, wenn sie sich an tückischen Stellen in den harten Schnee oder ins Eis krallen.
Ausgangspunkt des 4,3 Kilometer langen Schneeschuhtrails und des 3,2 Kilometer langen Winterwanderwegs ist die Postautostation Simplon Monte Leone, beim gleichnamigen Hotel und Restaurant. Der Schneeschuh-Rundweg führt ins reizvolle Hügelgebiet westlich der Passstrasse. In südlicher Richtung wird das imposante Alpenpanorama vom Fletschhorn dominiert, das fast ein Viertausender wäre, würden ihm nicht sieben Höhenmeter fehlen. Gegen Norden weitet sich der Blick Richtung Aletschgebiet und Berner Alpen.
Unübersehbar ist der neun Meter hohe Adler, der über der Passhöhe thront – ein Steinadler, der wirklich aus Stein ist: Ein Denkmal, das während der Aktivdienstzeit des Zweiten Weltkriegs als Symbol der Wachsamkeit errichtet wurde.
Der Winterwanderweg führt Richtung Süden – zum «Alten Spittel» und zum Barralhaus, in dessen Nähe man mit dem Postauto die Rückfahrt antreten kann (Station Hospiz-Niederalp, Fahrplan konsultieren). Der Alte Spittel war um 1650 vom umtriebigen, erfolgreichen, aber auch umstrittenen Walliser Unternehmer, Handelsherrn und Politiker Kaspar Stockalper errichtet worden – als Sommerresidenz für sich und seine Entourage, und als Unterkunft für Säumer. Unterhalb des Alten Spittels steht das eigenartige, 120 Meter lange Barralhaus. Es wurde 1902 vom Geistlichen Pierre Barral erstellt – als Feriendomizil seiner Missionsgesellschaft. Heute wird das Haus von der Schweizer Armee als Truppenunterkunft genutzt. Die Pläne der Armee, hier eine eigentliche Panzerpiste zu bauen, ist am massiven Widerstand gescheitert, der Panzer-Waffenplatz soll aber dennoch erweitert werden.
Idealer Ausgangspunkt für Winterwanderungen und Schneeschuhtouren im Gebiet Brig-Simplon ist Brig. Mit Postauto, Bahn und Bergbahnen erreicht man in nächster Nähe ungezählte Startorte für Naturerlebnisse. Zum Beispiel Rothwald oder die sonnige Aussichtsterrasse Rosswald. Hier fliegt – auch als Attraktion für Kinder – sogar der Simplon-Adler mit: Unterwegs erfährt man an sieben Posten Wissenswertes über den Steinadler und kann im «Steinadler-Quiz» Fragen beantworten und etwas gewinnen. So erfährt man zum Beispiel, dass das Adler-Revier zwischen 20 und 80 Quadratkilometer gross ist. Die Frage: Entspricht das der Grösse von 5, 120 oder 11’000 Fussballfeldern? Die richtige Antwort sei nicht verraten.
Und wenn das Wetter nicht mitspielt, bietet Brig reizvolle und erholsame Möglichkeiten, zum Beispiel auf Kaspar Stockalpes Spuren zu wandeln: Mit einer Besichtigung des barocken Stockalperschlosses mit der Dauerausstellung «Passage Simplon». Oder mit dem Eintauchen ins warme Thermalwasser, das im nahen Brigerbad seit Jahrhunderten aus den Felsen sprudelt. Bereits die Römer sollen hier gebadet haben. Und auch Geschäftsmann Stockalper hatte hier die Hände mit im Spiel, als er 1662 die Rechte am Brunnen erwarb. Heute ist das Brigerbad eine moderne, grosse Thermal- und Wellnessoase, die auch mit dem Postauto gut erreichbar ist.
Und wenn grad keines fährt, laden viele Briger Beizen zum Verweilen ein. Im «Stockalperhof» zum Beispiel wird man dann, auf dem Kassenbon, so verabschiedet: «Danke fer Dine Bsüach und bis bald.» Ja, bis bald!
Text & Bilder: Walter Däpp