Die Stadt riecht nach Holz und Kalkstein, nach Regen auf Kopfsteinpflaster und frischem Brot vom Wochenmarkt – und nach der Ruhe einer Vergangenheit, die nie ganz vergangen ist. Wer durch Memmingen spaziert, spürt sofort: Diese Stadt ist kein Zwischenstopp, sondern das Ziel. Zwischen den Giebeln der Bürgerhäuser, unter Türmen und Torbögen hallt das Echo der Jahrhunderte. Der Stadtbach begleitet die Wege wie ein silberner Faden, fliesst zwischen Fachwerk und barocken Bauten, unter Brücken, die mehr gesehen haben, als man erzählen könnte.

Flüstern der Geschichte

Ein grosser Teil der mittelalterlichen Altstadt hat den Krieg überstanden: zehn Tore und Türme, rund zwei Kilometer Stadtmauer und Gassen, die sich winden wie Linien einer alten Karte. Der Marktplatz – umrahmt vom Rathaus, der Grosszunft und dem Steuerhaus – ist das Herz der Stadt. Die Fassaden zeugen von den architektonischen Ausdrucksformen der Jahrhunderte, vom Spätmittelalter über den Barock bis hin zum Rokoko. Wer hier steht, merkt, dass Geschichte nicht stillsteht – sie verändert sich, aber sie bleibt. Die gotische Martinskirche mit ihrem über 500 Jahre alten Chorgestühl gehört zu den schönsten Sakralbauten Schwabens. Die Frauenkirche, vermutlich die älteste der Stadt, birgt Fresken des 15. Jahrhunderts und das Antoniterkloster ist die besterhaltene Anlage seiner Art weltweit. Dazwischen Bürgerhäuser mit barocken Palazzi, das Siebendächerhaus, der imposante barocke Kreuzherrnsaal des ehemaligen Klosters.

Imposant: der barocke Kreuzherrnsaal. © Tourist Information Memmingen, Christina Eirich

Humor, Herz und Demokratie

Memmingen liebt seine Geschichte, aber sie trägt sie mit einem Augenzwinkern. Die Sage vom «Mau», dem Mond im Dialekt der Stadt, erzählt von Witz und Selbstironie: In einer Vollmondnacht, so heisst es, spiegelte sich der Mau in einem grossen Zuber. Zwei Bürger wollten ihn «einfangen» mit Netzen, mit Leitern, mit Fantasie. Natürlich vergeblich. Doch die Geschichte blieb als Sinnbild für den Charme, der hier den Ernst des Lebens mildert. Jahrhunderte später, nach der ersten Mondlandung, schickte der Oberbürgermeister einen Brief an die NASA: Man freue sich über den grossen Erfolg, doch künftig sollten die Astronauten bitte um Erlaubnis bitten, bevor sie «auf ihrem Mau» spazieren. Die Antwort aus Houston kam prompt samt freundlichem Dank und dem Versprechen, der Stadt einmal ein Stück Mondgestein zu schicken.

Gekommen ist es bis heute nicht. Doch hinter dem Humor steckt auch Haltung: Memmingen gilt als «Stadt der Freiheitsrechte». 1525 wurden hier die «Zwölf Artikel» verfasst, das erste Manifest für Menschenrechte im deutschsprachigen Raum. Was damals als Forderung der Bauern begann, gilt heute als Meilenstein der europäischen Demokratiegeschichte und prägt die Stadt bis heute: frei denken, offen handeln, gemeinsam gestalten.

Individualisten folgen dem Audio-Rundgang. © Tourist Information Memmingen, Christina Eirich

Stadtgeschichten zum Eintauchen

Kaum eine andere Stadt bietet so viele Perspektiven auf ihre Geschichte: Über 40 verschiedene Stadtführungen lassen Gäste tief eintauchen. Die Auswahl reicht von klassischen Rundgängen über Kostümführungen bis zu Geheimtipps wie der Krimitour «Der Mordfall Brandmüller». Für Familien lohnen sich die Kinderstadtführungen oder die Kids Rallye mit Rätselaufgaben. Wer lieber individuell unterwegs ist, folgt dem Audio-Stadtrundgang «Roter Weg» per Lauschtour-App – mit Stimmen und Geschichten im Ohr. Auch schwierige Kapitel der Stadtgeschichte, etwa die NS-Zeit, wurden sensibel und verantwortungsvoll aufgearbeitet und sind per Audioguide auf zwei weiteren Rundgängen hörbar. Ein Tipp für Genussmenschen sind die kulinarischen Führungen mit Eric Müller, bei denen Gäste an Wochenmarktständen, in Cafés oder Feinkostgeschäften mit regionalen und internationalen Spezialitäten verwöhnt werden.

Nah an der Natur

Memmingen liegt so, als hätte jemand die Karte perfekt gefaltet: zwischen Alpen und Allgäu, Stadt und Land, Geschichte und Gegenwart. Vom Marktplatz sind es weniger als 60 Minuten mit dem Auto zu den schönsten Zielen im Allgäu: Füssen, Kempten, Oberstdorf. In weniger als einer Stunde gelangt man ausserdem mit dem Zug nach München, Ulm oder Lindau. Von Mai bis September ist die schönste Zeit für Spaziergänge, Radtouren und kleine Ausflüge. Morgens durch die Altstadt schlendern, mittags auf dem Velo entlang der Iller, ein Abstecher zum See und abends Tapas im Sonnenuntergang geniessen. Selbst im Winter zeigt sich Memmingen von seiner sonnigen Seite dank überdurchschnittlich vielen Sonnentagen in Deutschland und einer Altstadt, die im klaren Licht erstrahlt. Memmingen ist sich treu geblieben, nicht perfekt, aber echt. Die Stadt zeigt, wie Vergangenheit und Gegenwart sich verweben, ohne sich zu überlagern.

Welche der über 40 Stadtführungen darf es sein? © Tourist Information Memmingen, Christina Eirich

Gerade für Reisende aus der Schweiz ist sie ein wahrer Schatz am Tor zum Allgäu, wo sie Geschichte sehen, fühlen, hören können. Ein Ort, der den Atem der Jahrhunderte in sich trägt und doch im Jetzt lebt.

Mehr Informationen, Stadtführungen und Veranstaltungstermine unter: www.tourismus-memmingen.de