Nach nur knapp fünf Flugstunden erreichen Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz ein ganz besonderes Paradies: die Azoren. Die neun Inseln entstanden aus Vulkaneruptionen vor Millionen von Jahren. Politisch gehört der Azorenarchipel zu Portugal, besitzt aber einen autonomen Status. Die Inseln sind in drei Gruppen unterteilt: die Ostgruppe mit São Miguel und Santa Maria, die Zentralgruppe mit Terceira, São Jorge, Graciosa, Faial und Pico und die Westgruppe mit Flores und Corvo. Keine gleicht der anderen, doch alle Inseln überzeugen mit ihrer Schönheit, was ein Inselhüpfen mit dem Mietwagen zum abwechslungsreichen Vergnügen macht.

Vulkane wohin das Auge reicht

Die Inseln liegen auf einem unterseeischen Gebirge, welches das nordamerikanische Meeresbecken vom europäischen trennt. Die Vulkane sind teilweise noch aktiv, was besonders auf São Miguel und Faial ersichtlich ist. Die letzte Eruption, die sich auch auf die Inselbewohnenden auswirkte, war der Ausbruch des Vulkans Capelinhos auf der Insel Faial im Jahr 1957. Spektakulär erhob sich ein neuer Vulkan aus dem Meer und hinterliess eine eindrückliche Mondlandschaft. Fast ein Viertel der Inselbevölkerung war damals gezwungen, das Eiland in Richtung Amerika zu verlassen. Die USA zeigten sich grosszügig, indem sie den Opfern des Vulkanausbruchs die Einwanderung erleichterten. Fast 250 Familien verloren damals ihre Häuser und Ländereien, glücklicherweise niemand sein Leben.

Auf São Miguel kann man die vulkanische Aktivität noch heute am eigenen Leib spüren. Wer in Mosteiros den schwarzen Sandstrand besucht, kann sich beim Baden durch heisse Quellen im Meer wärmen lassen. Auch warm – und zwar ganzjährig 38°C – ist das berühmte Thermalbad im Terra Nostra Park in Furnas. Ebenfalls in Furnas findet man noch viele heisse und dampfende Schwefelquellen, die besichtigt werden können. Besonders bekannt ist der Ort für seine Eintopfspezialität «Cozido das Furnas». Verschiedene Fleisch- und Gemüsesorten werden übereinander in einem grossen Topf aufgeschichtet. Dieser wird im heissen Vulkansand versenkt und köchelt während sechs Stunden vor sich hin. Schon vor Erfindung des Steamers wurde hier niedergegart.

Insel Faial Caldeira, Azoren
© Corrado Filipponi

Natur pur

Die Eruptionen haben aber auch ihr Gutes. Ohne sie gäbe es auf den Azoren weder die saftig grünen, moosbedeckten Kraterschlunde und Kegelvulkane noch die prächtigen blauen Kraterseen.

Im Sommer wie auch im Winter bieten die Azoren eine einzigartige Flora. Die Vielfalt an Blumen, Pflanzen und Bäumen ist immens. Allen voran faszinieren die riesigen Hortensienhecken, die entlang von Strassen und Kuhweiden ihre blauen, rosa und weissen Blüten der Sonne entgegenstrecken. In fast jedem Garten und an fast jeder Häuserwand rankt sich die Bougainvillea in die Höhe. In kräftigem Lila, Rot, Rosa und Orange bereichert sie die sonst schon farbenfrohe Landschaft. Wer sich tiefer mit der Fauna der Azoren auseinandersetzen möchte, sollte unbedingt den Terra Nostra Park auf São Miguel besuchen. Auf zwölf Hektaren verteilt findet man über 2000 Bäume aus Nord- und Südamerika, Australien, Neuseeland, China und Südafrika. Nebst endemischen Pflanzen werden auch eine Azaleensammlung, ein Farn- und Rhododendrengarten sowie allerlei exotische Gewächse gehegt und gepflegt.

Insel-Corvo_Caldeirão, Azoren
© Amin Travel

Vom Walfänger zum Tierschützer

Auch in den Gewässern rund um die Inseln gibt es einiges zu entdecken. Der Pottwal war einst die Haupteinkommensquelle der Azoreaner, heute ist er das beliebteste Fotomotiv. Anfangs des 19. Jahrhunderts begannen die Inselbewohner mit dem Walfang. Dieser lief wie folgt ab: Späher an Land suchten mit Ferngläsern den Atlantik nach Walen ab. Sobald sie die Worte «Baleia! Baleia!» (die portugiesische Bezeichnung für Wal) riefen, fuhren die Schiffsbesatzungen von sieben Mann in ihren kleinen Walfangbooten auf das offene Meer hinaus und erlegten die Wale mit Harpunen. Es war eine körperlich anstrengende und gefährliche Arbeit, zumal Männer, die nicht schwimmen konnten, für die Jagd bevorzugt wurden. Denn jemand, der nicht schwimmen konnte, gab auf keinen Fall das Boot auf und kämpfte bis zum Ende. Der Verkauf des Waltrans ernährte oft ganze Familienclans und somit war der Walfang für viele Familien elementar.

Seit 1983 wird aber offiziell nur noch mit der Fotokamera «gejagt». Die erste Walbeobachtungsfahrt wurde 1983 von Pico aus angeboten. Der Franzose Serge Viallelle gründete eine Walbeobachtungsstation, stellte ehemalige Walfänger als Späher an und verschrieb sich ganz dem Tierschutz. Zu seinem Team gehören Meeresbiologen aus der ganzen Welt. Doch auch auf den anderen Azoren-Inseln, insbesondere auf Faial, São Miguel und Terceira, werden Walbeobachtungstouren von erfahrenen Meeresbiologen angeboten.

Von März bis April trifft man auf die grossen Bartenwale wie Blauwale, Finnwale und Buckelwale. Von April bis Oktober ist der Pottwal der meistgesehene Gast in den Gewässern vor den Azoren sowie weitere Arten wie Grindwale, Finnwale und Seiwale. Ganzjährig tummeln sich mehrere Delfinarten in den Gewässern. Sie spielen, ja tanzen förmlich vor den Beobachterinnen und Beobachter und liefern eine perfekte Vorstellung ab. Es ist eine wahre Freude, ihnen zuzusehen! Mehrere Anbieter führen Ausfahrten durch, die es erlauben, mit Delfinen in deren natürlichem Lebensraum zu schwimmen und sie unter Wasser zu beobachten. Dabei gilt eine strenge Regel: Man darf die Tiere weder berühren noch ihnen hinterherschwimmen. Das Tier nähert sich dem Menschen, nicht umgekehrt.

Insel Pico, Azoren
© Amin Travel

Faszinierende Unterwasserwelt

Die Unterwasserwelt rund um die Azoren macht das Tauchen zu einem ganz besonderen Erlebnis. Vulkanische Kräfte schufen an den Küsten bizarre Unterwasserlandschaften mit Höhlen, Grotten und Bögen, oft besiedelt mit üppiger Fauna und Flora. Der Archipel liegt in einer Übergangszone zwischen den kalten, nährstoffreichen Strömungen aus dem Norden und dem warmen Golfstrom.

Als Taucher findet man hier alles, was das Herz begehrt: Mantas, Schildkröten, Haie, Aale, Barrakudas, Thunfische, Zackenbarsche, Riffbarsche, Meerbrassen, Stachelmakrelen, Papageifische, Kugelfische und Skorpionfische. In den kristallklaren Gewässern tummeln sich über 600 Fischarten sowie Wale, Delfine und fünf verschiedene Schildkrötenarten. Eines der schönsten Reviere liegt um die Formigas, eine Gruppe von acht Felsen, die etwa 40 Kilometer nördlich von Santa Maria aus dem Meer ragen. Sie haben schon das Schicksal einiger Schiffe besiegelt. Die Wracks sind ein Eldorado für Taucher. Ebenfalls ein Tauchparadies ist die Princess Alice Bank, rund 45 Seemeilen südwestlich von Faial. Es handelt sich um einen unterseeischen Berg, der wegen seines Reichtums an Grossfischen und den grossen Gruppen von bis zu 50 Mobula-Rochen bekannt ist.

Es kreischt und krächzt

Auch über dem Meeressspiegel findet sich vielfältiges Leben. Wer sich nach dem Eindunkeln in Küstennähe aufhält, wird sich seinem Gesang nicht entziehen können. Mit dem üblichen Vogelgezwitscher haben seine Laute nichts gemein. Er kreischt und krächzt vielmehr: Der Gelbschnabelsturmtaucher (Cagarro) kommt zum Brüten auf die Azoren und baut sein Nest an steilen, schwer zugänglichen Küsten. Tagsüber jagen die Vögel, die den Winter in Afrika verbringen, auf hoher See und kehren meist erst nach Sonnenuntergang zu ihren Nestern zurück, weshalb man sie nur selten zu Gesicht bekommt.

Durch die zahlreichen Zugvögel, die auf den Azoren Zwischenhalt machen, ist der Archipel unter den Vogelbeobachtern seit Jahren ein Begriff. Insbesondere im September und Oktober sind die Inseln Flores und Corvo begehrte Reiseziele unter Ornithologen. Aber auch auf der Hauptinsel São Miguel nistet ein seltener Vogel: das einzige endemische Lebewesen der Azoren, der Priolo, auch Azoren-Gimpel genannt.

Fajãs und andere Wanderparadiese

Wandernde finden auf den Azoren ideale Bedingungen für Touren jeden Schwierigkeitsgrades. Viele Wanderwege führen vorbei an traumhaften Kraterseen, über immergrüne Kraterränder und entlang pittoresker Fajãs. So werden kleine, fruchtbare Ebenen, die an steilen Hängen ins Meer wachsen, bezeichnet. Diese sind vor allem auf São Jorge und Flores zu finden. Ein Muss für alle wanderfreudigen Azoren-Besucherinnen und -Besucher ist der Berg Pico auf der gleichnamigen Insel. Die Spitze, der Pico Piquinho, liegt auf 2351 Metern und bietet bei gutem Wetter einen atemberaubenden Rundblick über alle Inseln der Zentralgruppe. Es gibt auf den Azoren mehr als 70 markierte Wanderwege, die gut auf eigene Faust begangen werden können. Wer eine Tour mit Guide bevorzugt, bekommt natürlich noch wertvolle Informationen zur Umgebung, Flora und Fauna mitgeliefert.

Insel-Flores_Fajã-Grande, Azoren
© Amin Travel

Tee vom Ende Europas

Wer hätte das gedacht: Die letzten beiden Teeplantagen Europas befinden sich auf der Azoren-Insel São Miguel. Im Jahr 1883 wurde auf der Plantage «Chà Gorreana» das erste Kilo Tee produziert, heute sind es rund 50 Tonnen pro Jahr. Es gibt einen markierten Wanderweg durch die 45 Hektar grosse Plantage, der besonders zur Erntezeit von April bis September interessant ist. Denn dann sind rund 30 Arbeiter damit beschäftigt, die Triebspitzen von Hand zu schneiden. Im kleinen Produktionsbetrieb werden die Teeblätter auf uralten englischen Maschinen gerollt und anschliessend gepresst. Mit dieser sogenannten orthodoxen Herstellung entsteht ein Tee, der frei von Bitterstoffen ist.

Wo das Azorenhoch entsteht

Dem ausgeglichenen subtropischen Klima ist es zu verdanken, dass auf den Azoren praktisch alles wächst, was gesät wird. Die Temperaturen auf dem Archipel sind das ganze Jahr über mild und angenehm. Sie steigen im Sommer auf höchstens 30° C und sinken im Winter tagsüber nie unter 16° C. Dennoch werden die Azoren selten als Ganzjahresdestination wahrgenommen, da es in den Wintermonaten öfter regnet als im Sommer. Jedoch sind die Schauer meistens nur kurz: Immer wieder vertreibt die Sonne die Wolken und den Regen. Von November bis März gibt es deshalb viel weniger Touristen als ohnehin schon und man hat die Inseln fast für sich alleine.

Badespass

Auch baden lässt es sich auf den Azoren gut. Lange Badestrände mit Liegestühlen und musikbeschallten Cocktailbars sucht man auf den Azoren vergeblich. Dennoch wartet der Archipel mit einigen ganz besonderen Bademöglichkeiten auf. Fast auf jeder Insel gibt es die sogenannten «Piscinas naturais», natürliche Schwimmbecken, die vor Millionen von Jahren aus Lava geformt wurden. Sie ermöglichen das Schwimmen im Meer, ohne dabei den Strömungen ausgesetzt zu sein. Auch kleine Sandstrände, die mit schwarzem Sandstrand an den Sommerwochenenden Einheimische wie auch Touristen anlocken, sind auf einigen Inseln zu finden. Eine weitere Besonderheit sind die warmen Quellen und Thermalbäder, die den vulkanischen Ursprung der Inseln widerspiegeln.

Azoren für alle Sinne

Welche der vielen Ferienaktivitäten man auch immer bevorzugt – die Azoren sind ein lohnenswertes Reiseziel für alle, die etwas Spezielles erleben möchten! Ob Wandern entlang gewaltiger Vulkankrater und steiler Küsten, Wale und Delfine beobachten auf hoher See oder das Erforschen von Vulkanhöhlen – die Azoren warten mit einer Vielfältigkeit auf, die auf so kleinem Raum nur selten zu finden ist. Das Inselparadies ist bisher vom Massentourismus verschont geblieben und ist unter Naturliebhaberinnen und Naturliebhabern ein Geheimtipp, der darauf wartet, entdeckt zu werden!

Azoren-Spezialist: Eine grosse Auswahl an Rundreisen und Unterkünften bietet der in Zürich beheimatete Spezialist Amin Travel / www.amin-travel.ch