Alles eine Frage der Zeit, finden wir: Man kann sich die Schwäbische Alb in ein paar Wochen ganz kontemplativ zu Fuss erwandern oder sie ruckzuck mit dem E-Bike durchqueren. Eine Welt, zwei Touren, viele Eindrücke
Gerade erst ist die Sonne über die Berge gegenüber geklettert, die ersten Strahlen des Tages tauchen das satte Grün der Albwiese bei Bad Urach in ein mildes Licht. Die Bäume werfen noch lange Schatten. Wir stehen direkt am Albtrauf, der fast senkrecht abfallenden Abbruchkante der Schwäbischen Alb, und genießen kurz, aber intensiv die Ruhe des Morgens. Dann satteln wir wieder auf und machen Tempo. Unser Ziel: die Schwäbische Alb in sechs Tagen zu überqueren.
Alb-Crossing heißt die Tour, über 370 Kilometer führt sie uns von Nordwest (Aalen) nach Südost (Tuttlingen). Etwa die Hälfte der Strecke liegt schon hinter uns; dank E-Bikes sind wir flott unterwegs. Am Ende der Tour werden wir rund 7.000 Höhenmeter bewältigt haben – eine ganz schöne Ansage. Obenauf ist das Hochplateau ziemlich flach, an den seitlichen Traufkanten dafür um so steiler. Manchmal geht es Hunderte Meter abwärts. Dementsprechend gestaltet sich das Höhenprofil der Landschaft. Mal schnauft man lange Anstiege hinauf. Dann geht es mit vollem Tempo durch die Ebene. Und schließlich bergab, rasant und kurvenreich, mit Wind im Gesicht und der Hand an der Bremse. Konditionell fordernd sind die 50 bis 70 Kilometer langen Tagesetappen mit ihrem steten Wechsel von Aufs und Abs durchaus, doch die Strampelei wird stets belohnt – denn beim Alb-Crossing rauschen die großen Sehenswürdigkeiten der Alb nur so an einem vorbei: das Limesmuseum, Burg Teck, die Nebelhöhle, Schloss Lichtenstein, Burg Hohenzollern, der Lemberg. Und so weiter. Die vielen lohnenswerten Zwischenstopps und Abstecher machen aus der Tour über die Alb eine echte Radreise, bei der sportliche Ambition und Sightseeing zusammenkommen. Ums reine Kilometer- und Höhenmetersammeln geht es dabei nicht – im Mittelpunkt stehen der Genuss, die Landschaft, die Freude am Radeln. Unterschätzen sollte man die Tour aber keineswegs, die Etappen lassen sich schließlich auch sportlich fahren: Wer will, der powert sich aus.
Für uns geht’s gerade zur Burg Hohenneuffen hoch. Ein Forstweg windet sich hinauf zu der Festung, die in 740 Metern Höhe auf einem Felsen thront. Die letzten paar hundert Meter haben es in sich. Oben angekommen gönnen wir uns erstmal eine kleine Verschnaufpause, runter lassen wir es dann auf den Serpentinen durch den Wald laufen. Nach einem kurzen Stück Asphalt biegen wir ab in einen grasigen Feldweg. Links und rechts Streuobstwiesen mit knorrigen Kirsch- und Apfelbäumen, Holzstapel, Schafe, Pferde, Grillenzirpen. Getreidefelder wogen, dazwischen die verwischten Tupfer roter Mohnblumen. Wir strampeln schon wieder die nächste Anhöhe hinauf, erneut wechselt der Untergrund, nun knirscht Kies unter den Reifen, bevor wir mit sanftem Schwung durch die nächste Senke rollen und bald wieder bergauf fahren. Technisch sind die Strecken gut zu meistern, ist man doch überwiegend auf asphaltierten Radpisten und geschotterten, breiten Forstwegen unterwegs. Nur dann und wann geht es auf weniger befestigten oder schmalen Trails voran. Mit einem soliden Trekking- oder Gravelbike ist man gut aufgestellt. Wir wollten es sportlich angehen, aber auch nicht zu anstrengend werden lassen: Da sind E-Bikes die beste Wahl.
Uns macht das zackige Alb-Crossing Spaß, denn man sieht so viel dabei. Ist draußen, in der Natur, immer auf Augenhöhe. Doch auch wenn das Tempo hoch bleibt, die Landschaft ist eine Wucht und ein wahrer Genuss. Man ist hier wirklich bald im Rausch der Alb und tiefenentspannt: Wald, Wiesen, Heide, Bäche – toll, so ein Kreuz und Quer und Hoch und Runter in dieser prallen, sommerlichen Natur.
Zu Fuss über die Alb
Eben noch schlängelte sich der Weg gemütlich mitten durch eine Wiese voller wilder Blumen, nun verschwindet er im dichten Wald und wird mehr und mehr zum schmalen Pfad. Selten nur geben die Bäume eine Aussicht ins Tal frei. Wir steigen schweigend über das knorrige Wurzelgeflecht mächtiger Buchen hinweg, genießen die Stille, als sich der Blick in die weite Landschaft unerwartet öffnet: Schräg gegenüber steht auf einer Bergkuppe die imposante Burg Hohenzollern, ganz nah und doch weit weg, märchenhaft und ein bisschen unwirklich.
358 Kilometer ist der Albsteig zwischen Donauwörth und Tuttlingen lang, er führt auf überwiegend naturbelassenen Pfaden einmal quer über die Schwäbische Alb. Der Fernwanderweg lädt ein, länger zu Fuß unterwegs zu sein, sich Zeit zu nehmen für diese einzigartige Landschaft mit ihren vielen Gesichtern. Und vielleicht ja auch für ein paar neue Erfahrungen mit sich selbst. Mehr als zwei Wochen braucht man, wenn man jeden Tag eine längere Strecke geht, das hat schon etwas von einer kleinen Pilgerrunde. Wir haben dieses Mal leider nur wenig Zeit. Aber die Idee, irgendwann einmal den ganzen Weg zu machen, wandert mit.
Der Albsteig folgt meist der Traufkante am Nordrand des Hochplateaus. Manchmal geht es nur wenige Schritte neben dem Weg fast senkrecht schwindelerregend tief hinab, manchmal durch sattgrüne Wiesen, bunt gesprenkelt von Tausenden wilden Blumen. Dort hämmert ein Specht, hier summen Bienen von Blüte zu Blüte. Immer wieder bieten sich Panoramen, die so schön sind, dass das Herz vor Freude hüpft. Wurzelüberzogene, schmale Pfade führen durch märchenhafte Wälder, vorbei an moosbewachsenen Bäumen und Felsen. Man begegnet wilden Bächen, grasenden Schafen, durchstreift weite, karge Fluren, um dann wieder stundenlang durch dichten Wald zu wandern. Wer es schafft, den Alltag schnell hinter sich zu lassen, den erwartet auf der Alb etwas Wertvolles: ein kontemplatives Naturerlebnis. Die Welt ist hier manchmal wie stummgeschaltet, die Landschaftsbilder wechseln ganz allmählich. Die Natur ist mal lieblich, mal wild, selten rau, oft im selben Moment aufregend abwechslungsreich und beruhigend gleichbleibend.
Beim Wandern auf der Schwäbischen Alb geht es nicht ums Ausloten der Extreme, sondern um Kontemplation, Ausgleich und Naturerlebnis. Ein kleines bisschen verdientes Muskel-Ziepen gibt es natürlich auch – schließlich ist die Alb ein Mittelgebirge, da geht es rauf und runter. Am Hangenden Stein bei Albstadt, einem markanten Felsen, der sich über die Albtraufkante wölbt, legen wir eine Rast ein. Es erfordert ein bisschen Mut, auf den Felsen zu klettern – die phänomenale Weitsicht belohnt dafür. Eintönig wird es auf dem Hochplateau der Schwäbischen Alb nie, zu viel Sehenswertes wartet am Wegesrand: geschichtsträchtige Orte und Plätze, eindrucksvolle Burgen und Schlösser, uralte Höhlen. Für die sollte man sich Zeit nehmen auf dieser Tour, genauso wie für Abstecher ins Tal, für die kleinen und großen Abenteuer am Wegesrand, für ein ausgedehntes Mittagessen in einem urigen Gasthaus oder den Plausch mit einem Albschäfer. Allein deshalb steht für uns schon jetzt fest: Wir kommen wieder – und beim nächsten Mal gehen wir den Albsteig ganz. Und werden dann drei, vier Wochen (aus-)wandern.
Die Alb zu Fuss oder auf zwei Rädern erkunden:
Alb-Crossing Schwäbische Alb: In sechs Tagesetappen führt die Tour über 368 Kilometer und 7.000 Höhenmeter von Aalen nach Tuttlingen über die Alb. Die Strecken sind technisch überwiegend einfach, konditionell jedoch durchaus fordernd.
Der Albsteig verläuft auf dem Fernwanderweg HW1, der schon vor über 100 Jahren vom Schwäbischen Albverein angelegt wurde. Über 358 Kilometer führt er in individuell einteilbaren Etappen von Donauwörth nach Tuttlingen. Der Albsteig zählt zu den Top Trails of Germany, den besten Fernwanderwegen des Landes.
Weitere Infos zu Wander- und Radtouren sowie den vielen Sehenswürdigkeiten auf der Schwäbischen Alb gibt es unter: