Dem aus dem 9. Jahrhundert stammenden St. Galler Klosterplan kann man in drei Etappen «auf den Grund gehen». Die Reise beginnt in St. Gallen und führt über die Insel Reichenau bis in den Campus Galli im süddeutschen Messkirch.

Der St. Galler Klosterplan ist kein Bauplan im heutigen Sinne. Er ist vielmehr ein Inventar von Elementen, die zu einem Kloster gehören und damit in gewissem Sinne ein Konzept. Das Dokument scheint chronologisch gewachsen zu sein, beginnend mit der im Zentrum stehenden Klosterkirche. Die gezeichneten und beschrifteten Vierecke wirken, als hätten mehrere Leute sprudelnd vor Ideen die Frage beantworten wollen: «Was gehört alles zu einem Kloster?»

ST. GALLEN

Im Jahr 612 liess sich der irische Mönch Gallus im Steinachtal nieder. Eine erste Kirche entstand. Hundert Jahre später gründete Othmar das Kloster St. Gallen, das mit seiner imposanten, doppeltürmigen Kathedrale zu einem bedeutenden geistigen Zentrum Europas wurde. In der 1758 errichteten Stiftsbibliothek wird heute der St. Galler Klosterplan verwahrt und kann besichtigt werden. Seit 1983 ist der Stiftsbezirk ein Unesco-Weltkulturerbe. Zu empfehlen ist jedoch nicht nur ein Spaziergang durch den im 18. Jahrhundert im Barockstil gestalteten südlichen Teil der Altstadt von St. Gallen. Die ganze Altstadt erzählt viele Geschichten, vor allem über das im 18. Jahrhundert florierende Leinwandgewerbe, später von der Baumwoll- und Stickerei-Industrie.

© Regula Zellweger

INSEL REICHENAU

Die nächste Station auf den Spuren des Klosterplans führt mit dem Schiff von Kreuzlingen oder Konstanz zur Insel Reichenau. Dominiert wird die Insel von drei romanischen Kirchen. Das Münster St. Maria und Markus ist die älteste Kirche, eine Klosterkirche. Unter Abt Hatto wurde hier der Klosterplan gezeichnet und mit den begleitenden Worten «Dir, liebster Sohn Gozbert, habe ich diese knappe Aufzeichnung einer Anordnung der Klostergebäude geschickt, damit du daran deine Findigkeit … üben möchtest» an den Abt der Klosters St. Gallen gesandt.

Bis heute zieht der Klostergarten Besucher an, denn im 9. Jahrhundert verfasste Abt Walahfrid Strabo die GartenbauLehrschrift «Hortulus» in Gedichtform. In 444 Versen werden 24 Heilkräuter, Küchen- und Zierpflanzen mitsamt ihrer Heilwirkung beschrieben.

CAMPUS GALLI IN MESSKIRCH

Dritte Station auf der Themen-Reise «St. Galler Klosterplan» ist das baden-württembergische Messkirch in Süddeutschland. Auf der Klosterbaustelle Campus Galli entsteht täglich ein Stück Mittelalter: Handwerker und Freiwillige erschaffen mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts ein Kloster auf Grundlage des St. Galler Klosterplans. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftern müssen sie sich zahlreiche Fragen stellen. Wie werden Dachbalken zusammengeführt? Wie kann man mit Werkzeugen aus dem Mittelalter bauen und gleichzeitig den Anforderungen der heutigen Gesetze und Sicherheitsbestimmungen genügen? Welche Pflanzen wurden seinerzeit angebaut, und welche alten Obstsorten sind authentisch? Wie braut man Bier nach mittelalterlicher Methode, das auch heute gern genossen wird? So ist Campus Galli weit mehr als eine Touristenattraktion in einer Entstehungsphase. Es ist ein Prozess, der für die Menschen, die involviert sind, für Historiker, Archäologen, Handwerker, sehr wertvoll ist. Dem Campus Galli kann man nicht nur einen Besuch abstatten, sondern auch aktiv mitarbeiten.

© Regula Zellweger

www.st.gallen-bodensee.ch

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